CAVALLERIA RUSTICANA

Cavalleria Rusticana ist einer der Pfeiler des italienischen « Verismo »und sicher eine der beliebtesten und meist gespielten Opern in der Welt. Altvater Verdi hat das Werk sehr gelobt. Leider konnte Mascagni den riesigen Erfolg des Werkes nicht mehr erreichen, wenn man auch « Iris » und « Isabeau » bevorzügen kann.


Thomas Hengelbrokhat die Originalpartitur studiert und beschlossen die Urfassung des genialen Wurfs zu geben. Und siehe, das Original klingt viel moderner, besonders in den Chören die beinahe avantgardiste Züge zeigen und developpierter als in der revidierten Fassung sind. So ist die Eintrittsarie des Alfios, mit Chor, viel bewichtiger und gibt der Partie  des Baritons meht Präzens. Das Trinklied des Turiddu ist auch viel länger, eine der Strophen wird mit Lola dargebieten, und der Chor gerät immer mehr in beinahe orgiastische Ausbrüche.

Das Bedeutenste aber ist das Santuzza nicht für Mezzo oder für ein Hochdramatischen Sopran gedacht ist, aber für einen lyrischen, was der Partie eine jugendliche Farbe verleiht ! Wir haben es hier mit einer jungen Frau, nicht mit einer Diva zu tun.

Die Besetzung fügt sich ganz in diese neue Perspektive ein. 

Die Rolle der Santuzza wird von Carolina Lopez Moreno mit jugendlicher Stimme vorgetragen. Ihr lyrische Sopran verfügt über eine wunderbar strahlende Höhe, überzeugt aber auch im tieferen Register. Die Kunst des Legatos und die wunderschönen Nuancen erlauben ihr das rührende Porträt einer liebenden jungen Frau zu gestalten. Da die Sängerin auch Bildhübsch ist und ein feines darstellerisches Gefühl hat kann man ihr eine grosse Karriere voraussagen.

Als die Rivalin Lola, überzeugt Eva Zaïcik mit ihrem leichten Mezzo.

Elisabetta Fiorillo , die eine fabelhafte Karriere hinter sich hat, gestaltet eine tragische Mamma Lucia, ohne je ins pathetische zu entgleisen. Die Stimme ist immer noch schön timbriert und die Ausprache hervorragend.

Giorgio Berrugi gestaltet Turiddu mit seinem schönen, strahlenden Tenor, weiss aber auch den Nuancen der Partie völlig gerecht zu werden.

Alfio wird von Domen Krizaj tadellos vorgetragen. Seine schöne Baritonstimme entfaltet sich in der Rolle, die hier viel gewichtiger ist als in der üblichen Fassung. Sein Alfio ist nicht der brutale Fuhrmann den man gewohnt ist sondern ein junger, verliebter und betrogener Mann.

Thomas Hengelbrock kostet jede Nuance der Partitur aus, die sehr geschickt orchestriert ist und nichts mit manchen Grobheiten eines falschen Verismo zu tun hat. Das grossartig spielende Balthasar Neumann Orchester ist total im Einklang mit dem Dirigenten, sowie der tadellos singende Balthasar Neumann Chor der die heiklen Stellen dieser Fassung völlig meistert.

Um das Gewicht der katholischen Kirchen in Sizilien zu unterstreichen, hat Thomas Hengelbrok das Credo der « Missa di Gloria » von Puccini vor Beginn der Oper dirigiert. Es ist sicher nicht das Beste was Puccini geschrieben hat und war eigentlich überflüssig, trotz der schönen Darbietung des Tenors.

Man kann nur wünschen das die Opernhäuser die Originalfassung des Werkes in ihren Spielplan aufnehmen werden.

Jean-Claude Hurstel

Festspielhaus Baden-Baden Freitag, den 11 November 2022
PIETRO MASCAGNI